Monolog mit meinem "asozialen" Großvater
Gastspiel, Theater für Erwachsene
Ein Häftling in Buchenwald
Erst vor wenigen Jahren hat der Bundestag beschlossen, sogenannte „Asoziale“ als Opfer des NSRegimes anzuerkennen. Persönliche Zeugnisse gibt es von ihnen jedoch kaum und das Erinnern an sie kann herausfordernd sein: dem saufenden Großonkel gedenken, der mitunter gewalttätig wurde? Der obdachlosen Großmutter, die sich prostituierte? Nur zögerlich beginnt unsere Gesellschaft, sich mit den „unbequemen“ Opfern auseinanderzusetzen.
Der Theaterpädagoge Harald Hahn arbeitet das vergessene Leid nun in einem Theaterstück auf und dass auf den Spuren der eigenen Familiengeschichte: Sein Großvater war als Asozialer im KZ gewesen. Dabei deckt Hahn auch unbequeme Kontinuitäten auf, die bis in die Gegenwart hineinwirken: Was richten Schuld, Scham und Schweigen über Generationen in Familien an? Und wie strukturieren Klasse und Herkunft nicht nur das Erinnern, sondern das Leben in der Gesellschaft der Gegenwart?
Im Erzähltheater spricht der Autor mit seinem verstorbenen Großvater Anton Knödler, der als Häftling in Buchenwald inhaftiert war. Er spricht über das Familiengeheimnis, die Scham
und die Zeit in Buchenwald. Ausgehend von den Monologen schlüpft Harald Hahn in die Rolle eines SS Mannes und verwandelt sich zurück in das Kind, das er einst war. Ein schwäbischer Hausmeister kommentiert das Geschehen und schafft so die Verbindung zwischen Geschichte, Schauspieler und vermeintlich unbeteiligten Zuschauer*innen. Denn die aufgeworfenen Fragen verweigern sich dem rein passiven Konsum – sie wollen und sollen alle Anwesenden mit einbeziehen. Im Anschluss an das Stück findet ein circa 30-minütiges Publikumsgespräch statt.
Das KungerKiezTheater zeigt das Stück „Monolog mit meinem „asozialen“ Großvater – Ein Häftling in Buchenwald“ von und mit Harald Hahn am 10. Juni 2023 um 19 Uhr. Der Arbeitskreis „Marginalisierte - gestern und heute“ lädt mit zu der Veranstaltung ein.
Der Arbeitskreis thematisiert seit 2007 Kontinuitäten und Brüche sozialer Ausgrenzung und ihre Folgen für die Betroffenen. Darüber hinaus führt er regelmäßig Gedenkveranstaltungen vor dem ehemaligen Arbeits- und Bewahrungshaus Rummelsburg durch, das Ende des 19. Jahrhunderts als das größte Arbeitshaus Preußens errichtet wurde. Seit 1879 sind dort sog. „Corriganden“ und „Häuslinge“ untergebracht gewesen – LandstreicherInnen, BettlerInnen, Arme und Kranke wurden oft ohne Gerichtsurteile dort festgehalten. Zwischen 1933 und 1945 wurden sie als „Volks- und Gemeinschaftsfremde“, als „asozial“ und „arbeitsscheu“ verfolgt und am 13.6.1938 in der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ zu Tausenden in KZ's deportiert.
Heute ist das Areal mit den alten Zellengebäuden unter dem Namen „Berlin Campus“ Teil eines attraktiven Wohngebietes in der Rummelsburger Bucht, enthistorisiert und fast vergessen bzw. unzulänglich markiert.
Zum 85. Jahrestag der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ möchte der Arbeitskreis mit dem Theaterstück den ausgegrenzten Opfergruppen gedenken und zum Gespräch nach dem Stück einladen.
Ansprechpartner: Lothar Eberhardt
Produktion & Spiel: Ein Theaterprojekt von und mit Harald Hahn
Mehr Infos unter http://asozialer-grossvater.de/
Spieldauer: ca. 60 Minuten plus Publikumsgespräch im Anschluss